Mittwoch, 26. September 2012

Du sollst wissen, was Du willst …

"Wer nicht genau weiß, wohin er will, braucht sich nicht zu wundern, wenn er ganz woanders ankommt." 
(Robert F. Mager)

To-do-Listen zu schreiben, differenzierte Lebenspläne zu visualisieren und Ziele festzuhalten – darin sind wir Deutsche Weltmeister. Zweifelsohne ist es bedeutsam zu wissen wo die Ziellinie liegt, bevor man in eine Richtung startet. Doch denkt man beispielswiese an die vielen gut gemeinten Listen der Silvester Abende zurück – festgehaltene Visionen der knackigen Strandfigur oder den Sprung über die nächsten fünf Sprossen der Karriereleiter – kann bei vielen ein bitter-wehmütiges Gefühl aufkeimen.

Die grenzenlos scheinende Motivation und Euphorie beim Formulieren der eigenen Wünsche wich in vielen Fällen lähmender Ernüchterung und Passivität. Am Küchentisch sitzend, an den neuen Ernährungs- und Sportplänen bastelnd, fragt man sich schon nach dem Sinn der Bemühung, wenn der Weg danach schnurstracks zur Tiefkühltruhe und einem großen Löffel Schokoladen-Eiscreme führt. Grenzt es nicht schon an Masochismus, den eigenen Misserfolg durch die Verschriftlichung und Planung so schmerzlich vor Augen geführt zu bekommen? Sind vielleicht sogar die Pläne selbst die Übeltäter? Setzen sie uns unbewusst unter Druck und untergraben die eigene Disziplin und Standfestigkeit?

Dieser Frage gingen Wendy Liu von der University of California in San Diego und Claudia Townsend von der Miami University im „Journal of Consumer Research“ empirisch auf den Grund. In fünf verschiedenen experimentellen Situationen untersuchten die Forscher die Selbstdisziplin der Studienteilnehmer. In einem Teilexperiment wurde das Verhalten von 500 Amerikanern verfolgt, die mit einer Steuerrückzahlung von mindestens 1.200 Dollar rechneten. Die eine Hälfte der Probanden sollte angeben „wofür“ das Geld ausgegeben werde. Dabei zählten zu den häufigsten gewählten Optionen „Sparen“, „Anlegen“ oder „Schulden begleichen“. Die andere Hälfte der Gruppe musste keine konkreten Angaben zum Verwendungszweck des Geldes machen.

Nach sechs Monaten wurden die Studienteilnehmer erneut befragt. Es zeigte sich ein paradoxes Bild: Genau jene, die in der Erstbefragung angegeben hatten das Geld sparen zu wollen oder Schulden abzubezahlen, hatten am wenigsten zur Seite gelegt bzw. Schuldentilgung verwendet!
In einem anderen experimentellen Design wurde die Standfestigkeit bei Ernährungsplänen auf die Probe gestellt. Auch hier zeigte sich ein äquivalentes Muster zu den „Finanzexperten“: Genau diejenigen Probanden, die sich in der Prä-Untersuchung gesunde Ernährung vorgenommen hatten, aßen ungesünder als jene, die vorab keine konkreten Vorhaben äußerten. Gerade mit fixem Plan wurde in der Untersuchungsbedingung am häufigsten zum Schokoriegel gegriffen.

Doch nicht alle Probanden der Gruppe mit Plan wurden schwach. Was unterscheidet die Probanden, die der süßen Verführung widerstehen konnten von den undisziplinierten Schleckermäulern?

Townsend und Liu gingen der Ursache auf den Grund. Ihr Ergebnis: Probanden, die mit ihrem Körper bereits einigermaßen zufrieden waren, setzten die selbstauferlegten Regeln und Pläne wahrscheinlicher in die Realität um. Diejenigen, die sich mit ihrem Körper unwohl fühlten und weiter vom Wunschgewicht entfernt waren, erlagen, trotz (oder gerade wegen?) ihrem Plan, eher der süßen Verführung.

Ein ähnliches Bild präsentierte sich beim Experiment zur Steuerrückzahlung: Je weniger die Teilnehmer mit ihrer finanziellen Situation im reinen waren, umso weniger führen konkrete Sparpläne zum Erfolg.

Das identifizierte Muster lässt sich wie folgt erfassen: Je näher wir dem Ziel bereits sind, desto eher beißen wir uns durch.

Bereits im Jahre 1932 postuliere Clark Hull dies als sogenannten „Goal-Gradient-Effekt“. Kaum einer würde bei einem Marathon aufgeben wenn die Ziellinie und die Jubelnden Zuschauer schon in Sichtweite liegen. Darüber hinaus haben die konkreten Umsatzpläne Einfluss auf den Erfolg: Je größer die Kluft vom Ist-Zustand zum Wunsch-Zustand, umso mehr wirken Pläne kontraproduktiv. Durch Sie wird schmerzlich bewusst, wie weit man vom Wunschzustand entfernt ist, was zu Unzufriedenheit, Stress und Resignation führen könnte.

Doch die Pläne selbst als Ursache des Misserfolges zu deklarieren wäre falsch. Vielmehr ist an der Gestaltung der Zielformulierung und der konkreten Umsetzung zu arbeiten: Große Ziele in kleine erreichbare Teilziele zu zerlegen reduziert die Ehrfurcht – vor Erfolg - und ermutigt zum „ersten Schritt“ der langen Reise. Möchte man beispielsweise ein Büro entrümpeln würden täglich erreichbare Ziele formuliert (z.B. an einem Tag die Schublade entrümpeln, am anderen Tag werden die Ordner neu beschriftet oder die alten Stifte aussortiert) und jeder Teilerfolg gefeiert.

Zudem sollte ein Perspektivenwechsel, weg vom Blick auf das große Endziel (z.B. der straffen Bikinifigur), hin zum konkreten Verhalten (tägliche Sporteinheiten, zuckerarme Ernährung usw.) Wunder wirken.

Denn: Weder die Zahl auf dem Kontoauszug, noch den Zeiger der Waage, lässt sich direkt durch menschliche Willenskraft oder dem Grad an Disziplin beeinflussen - das konkrete Verhalten jedoch sehr wohl. Macht die tägliche Laufeinheit oder der Salat zu Mittag Spaß, wird es als Belohnung empfunden die geschmiedeten Pläne zu realisieren, sind die Vorteile der neuen Verhaltensweisen jeden Tag am eigenen Leibe spürbar – dann ist das Ziel schneller erreicht als gedacht:

Lassen Sie also besser Ihre glorreichen Zielvisionen auf einem Podest stehen und arbeiten Sie an Ihren Gewohnheiten. Oder, wie Jim Rohn so trefflich formulierte:

“Motivation is what gets you started. Habit is what keeps you going.”



Quelle:
Townsend, C. & Liu, W. (2012). Is Planning Good for You? The Differential Impact of Planning on Self Regulation. Journal of Consumer Research.

Mittwoch, 12. September 2012

Wissenschaft: Vom Glauben und Berge versetzen...

„Nix is umsonst und sogar da Tod kosts‘ Leben“ - dies besagt ein altes bayrisches Sprichwort und gerade in der Arbeitswelt kennen wir sie alle: Mitarbeiter die um Punkt 17 Uhr den Bleistift fallen lassen. Im eigenen Projekt wird lieber auf Zeitlupenmodus geschaltet, anstatt dem überlasteten Kollegen unter die Arme zu greifen. Am Chef und der Firma wird kein gutes Haar gelassen. Konstruktive Verbesserungsvorschläge hört man kaum.

Doch es geht auch anders: Wie kommt es, dass manche durchaus bereit sind sich über den „Dienst nach Vorschrift“ hinaus für den Betrieb ein zu setzen? Ob Einarbeiten eines neuen Kollegen, freiwillige Weiterbildung, um neue Erkenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, oder aber der selbstgebackener Kuchen für die Belegschaft - „Freiwilligen Arbeitsengagement“ hat viele Gesichter. Dass es auch tatsächlich dazu kommt hängt vor allem mit der Arbeitsatmosphäre und dem organisatorischen Partizipationsgrad zusammen. Darüber hinaus spielt ein anderer Faktor eine herausragende Rolle: der Glaube an sich selbst.

Sozialpsychologen der Ruhr-Universität Bochum untersuchten eine Stichprobe von 126 Personen verschiedener Branchen und Positionen (10% Führungskräfte, 72% Mitarbeiter, 7% Selbstständige, 11% Auszubildende). Das Ziel der Studie bestand darin die wichtigsten Motivationsfaktoren zu identifizieren, welche Mitarbeiter dazu bewegen sich freiwillig zu engagieren. Dabei überprüften die Autoren das Modell von Parker et al. (2006), das vier Faktoren postuliert, die Einfluss auf das freiwillige Engagement haben:

1. Selbstwirksamkeit: „Ich kann diese Aufgabe bewältigen“

2. Kontrolleinschätzung: „Ich habe Kontrolle über den Aufgabenprozess und kann positiv auf das Ergebnis einwirken“

3. Veränderungsorientierung: „Ich fühle mich verpflichtet, konstruktiv an Veränderungsprozessen mit zu wirken“

4. Flexible Rollenorientierung: „Diese Aufgabe fällt in meinen Verantwortungsradius, ich fühle mich für die Lösung des Problems verantwortlich“

Es konnte empirisch gezeigt werden, dass der Glaube an sich Selbst, die Überzeugung einer Aufgabe gewachsen zu sein, in starkem Zusammenhang steht mit dem freiwilligen Arbeitsaufwand zu Gunsten der Organisation. Die anderen drei Faktoren, Kontrolleinschätzung, Veränderungsorientierung und flexible Rollenorientierung, belegten lediglich eine untergeordnete Rolle. Die Selbstwirksamkeit ist es, sie wirkt demnach als eine Art „Mediator“ zwischen Eigenverantwortlichkeit als Disposition und dem konkret gezeigten, freiwilligen Engagement (intentional, situationsangemessen, selbstgesteuert).

Welche Auswirkungen hat dieses eigenverantwortliche Arbeitsengagement noch? Nach Bierhoff und Kollegen (2012) verbessert sie die qualitative, sowie die quantitative Arbeitsleistung direkt. Auch die Kundenzufriedenheit erhöht sich nachweislich, weil der Mitarbeiter durch eigenverantwortliches Handeln flexibler auf die Wünsche des Kunden eingeht . Auch die freiwilligen Helfer selbst profitieren: durch das proaktive, freiwillige Verhalten wird auch Ihr eigenes Wohlbefinden erhöht (Brown, et al. 2009) - überdies die Identifikation mit dem Unternehmen und der eigenen Arbeit.

WinWin: Als Führungskraft an der Selbstwirksamkeitserwartung der Mitarbeiter an zu setzen, ist demnach für alle Seiten lohnenswert. Diese lässt sich am effektivsten steigern durch eine gezielte Verhaltensänderung: Wenn der Chef einem Mitarbeiter Aufgaben zutraut, die bislang nicht in seinem Aufgabenhorizont lagen und er dabei positive Ergebnisse erzielt, wird dieser Mitarbeiter bei der nächsten Aufgabe stärker an seine Fähigkeit glauben und vermutlich „mehr“ geben. Durch die erhöhte Selbstwirksamkeit und das „Anpacken von Problemen in Eigenregie“, können Erfolgserlebnisse geschaffen werden, die das von allen ersehnte Gefühl von „Yes - We can“ erzeugen. Diese Erfolgserlebnisse wirken wiederum als positiver Anreizwert zur Ausbildung und Aufrechterhaltung weiteren freiwilligen Arbeitsengagements.

Ein Engelskreis ist geboren. Worauf warten Sie noch? Fangen wir an.


Quellen:

Bierhoff, W., Lemiech, K. & Rohmann, E. (2012). Eigenverantwortung, Selbstwirksamkeit und freiwilliges Arbeitsengagement. Wirtschaftspsychologie, 1, 83-90.

Brown, S., Smith, D. & Schulz, R., et al. (2009). Caregiving behavior is associated with decreased mortality risk. Psychological Science, 20, 488-494.

Parker, S., Williams, H., & Turner, N. (2006). Modeling the antecedents of proactive behavior at work. Journal of Applied Psychology, 91, 636-652.