Dienstag, 30. Juni 2009

'Gender matters': Unterschiedlicher Umgang von Frauen und Männern mit Stress zeigt sich im Gehirn

Forscher der University of Pennsylvania weisen mit neurophysiologischen Methoden nach, dass Frauen und Männer unterschiedlich auf Stress reagieren. Dies hat Folgen für die Behandlung von stressbedingten Erkrankungen wie Burn-out, posttraumatische Stressbelastung und Depression.
Männer stammen vom Mars, Frauen von der Venus. Das ist wohl die einfachste Erklärung für die offensichtlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Einen wesentlich differenzierteren Einblick in die unterschiedlichen Erlebniswelten von weiblichen und männlichen Menschen von heute liefern moderne bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT). Mit deren Hilfe kann belegt werden, dass Männer und Frauen wirklich teilweise sehr unterschiedlich reagieren.

Zum Beispiel unter Stress:
Forscher der University of Pennsylvania überwachten mittels fMRT den Blutfluss im Gehirn ihrer Probanden, während sie sie künstlich Stress aussetzten. Die Teilnehmer wurden angewiesen, von 1600 in 13er-Schritten rückwärts zu zählen. Dabei reagierte der Versuchsleiter ärgerlich auf Fehler und wies sie ständig an, schneller zu zählen (siehe dieses Video).

Beim fMRT können Änderungen des Blutflusses in sämtlichen Hirnregionen mit relativ guter räumlicher Auflösung erfasst werden. Was bringt das? Einfach gesagt: Braucht eine bestimmte Hirnregion Blut, dann arbeitet sie. Zum Denken brauchen wir nämlich Nährstoffe, vor allem Sauerstoff und Zucker. Unser Gehirn ist für 90% des Sauerstoffverbrauches verantwortlich.

Das Ergebnis der Untersuchung: Männer wie Frauen berichteten, sie wären während des Zählens gestresst gewesen. Und zumindest äußerlich zeigten Sie auch dieselben Symptome (Sprache, Atmung, Herzratenanstieg, Cortisolanstieg). Allerdings wurden bei Männern und Frauen zum Teil andere Gehirnareale aktiv:


Bei Männern reagierte der rechte präfrontale Cortex stärker. Er ist Teil des sogenannten 'Fight-or-Flight'-Systems, das in Stresssituationen Verhaltensreflexe auslöst. Sprich: Entweder Kampf oder Flucht. Im Alltag werden diese automatischen Reflexe normaler Weise durch geselschaftliche Normen gehemmt. Im fMRT dadurch, dass man fixiert ist.

Bei Frauen dagegen war das limbische System aktiver - ein Verbund von Hirnregionen, die für das Aufkommen und die Verarbeitung von Emotionen eine wichtige Rolle spielt.
Es zeigt sich also schon im Gehirn, dass Männer unter Stress eher aggressiv und fahrig reagieren, Frauen dagegen emotionaler. Deshalb kommen sie aber nicht automatisch von anderen Planeten.

Die unterschiedlichen Stressverarbeitungsstrategien sind zum Teil genetisch bedingt, zum Teil aber auch in Kindheit und Jugend gelernt.


Wir verfolgen diesen vielversprechenden neuen Forschungszweig mit großer Spannung. Durch die Aufdeckung neurophysiologischer Unterschiede bei der Stressverarbeitung in den Gehirnen von Männern und Frauen werden sich weitere interessante Strategien für den Umgang mit psychischen Belastungen ergeben.

gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Wang, J. (2007). Gender difference in neural response to psychological stress. Social cognitive an affective neuroscience, 2007, 2(3), pp. 227-239

Montag, 29. Juni 2009

Ein Traum wird wahr - Kreatives Arbeiten im Schlaf

Wir haben es ja immer geahnt: Kreative Pausen sind erst dann so richtig effektiv, wenn man sie schlafend verbringt.

Forscher der San Diego School of Medicine untersuchten das bekannte Phänomen, dass Ideen und kreative Leistungen nach Erholungsphasen ansteigen, genauer. Sie gaben ihren Teilnehmern (die im Übrigen fürs Schlafen bezahlt wurden!) Gedächtnis- und Problemlöseaufgaben bevor und nachdem ihnen eine kurze Erholungsphase zugestanden wurde.

Eine Gruppe verbrachte die Erholungsphase (die mehrere Stunden dauerte) schlafend, die anderen Teilnehmer entspannten sich einfach nur und dachten an die schönen Dinge im Leben. Still liegen war allerdings für alle Versuchspersonen Pflicht, denn sie waren an ein EEG-Gerät angeschlossen, das während der Ruhephase ihre Hirnaktivität aufzeichnete.

Auf Grund dieser EEG-Aufzeichnung konnten die Teilnehmer schließlich in drei Gruppen eingeteilt werden: Einige schliefen gar nicht, einige zeigten REM-Schlaf und einige schliefen ohne REM-Schlaf. REM (Rapid Eye Movement) ist ein bestimmtes Schlafstadium, das durch schnelle Augenbewegungen charakterisiert ist. Man nimmt an, dass man sich im REM-Schlaf Bilder und Szenen vorstellt und diese 'mit den Augen verfolgt'.

Bei den Gedächtnisaufgaben zeigte sich kein Unterschied zwischen den Gruppen. Offensichtlich wurden die aufgenommenen Informationen sowohl in Entspannung als auch im Schlaf weiter verarbeitet und langfristig gemerkt.

Allerdings: Die Kreativaufgaben nach der Ruhepause wurden in den Gruppen unterschiedlich gut gelöst - obwohl sie vor der Ruhepause gleich gut bearbeitet wurden. Hier zeigte sich, dass für die Lösung kreativer Probleme offensichtlich REM-Schlaf entscheidend ist. Denn die Problemlösefähigkeit stieg nach REM-Schlaf um sagenhafte 40% an.

Für den Einzelnen stellt sich nun natürlich die Frage: Wie kommt man in den REM-Schlaf, wenn man gerade über kreative Probleme grübelt? Ein kurzes Mittagsschläfchen reicht hier meist nicht. REM-Schlaf haben wir vor allem am Ende längerer Schlafphasen, so zum Beispiel morgends kurz vor dem Aufwachen. Das bekannte Sprichwort: "Erstmal eine Nacht drüber schlafen, dann fällt uns schon was ein!" bewahrheitet sich also.

Und noch ein anderes Sprichwort bewahrheitet sich: "Alkohol löst keine Probleme". Denn: Er unterdrückt teilweise den REM-Schlaf. Wer also kreative Lösungen zu wichtigen Problemen sucht, sollte nicht darauf hoffen, die Lösung durch Alkohl beschleunigen zu können.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer


Quelle: University of California - San Diego (2009, June 9). Let Me Sleep On It: Creative Problem Solving Enhanced By REM Sleep.

Freitag, 26. Juni 2009

Rezept zum Verlieben

"Du bist so anders, ganz speziell - ich merke sowas immer schnell"

Ja, Psychologie beschäftigt sich auch mit heißen Eisen wie Liebe und Eifersucht. Natürlich geht es - wie bei jedem anderen Thema auch - darum, diese Dinge formal zu beschreiben und Ratschläge für die Praxis abzuleiten. Niederländische Forscher zeigen zum Beispiel, wie Verlieben abläuft. Bitte überprüfen Sie selbst:

Man nehme: Die Bereitschaft, sich zu verlieben (ohne die geht nichts!), eine andere verfügbare Person, individuelle Präferenzen und zwischenmenschliche Zeichen.

Jetzt geht´s los:
Ein Mensch A ist einsam, sucht Abwechslung, ist neugierig, oder seine Hormone diktieren das Geschehen. Folge: Die Bereitschaft zum Sich-Verlieben entsteht.

Nun muss natürlich eine zweite Person B verfügbar sein, die neugierig macht - entweder weil sie gut aussieht oder dem 'Beuteschema' entspricht oder irgendetwas Interessantes macht/hat.

Zum besseren Gelingen sollte B sodann irgendein wahrnehmbares Zeichen geben, das Interesse signalisiert. Anmerkung: Hierbei ist nur wichtig, was bei A ankommt. Das heißt: B könnte zwar theoretisch und praktisch rein gar nichts signalisieren wollen, das auf Interesse hindeutet, oder sogar leicht ablehnend reagieren. Umsonst, denn solange A irgendein Verhalten von B als Interesse interpretiert, wächst die Chance auf Verliebtheit.

Denn als nächstes fängt A an zu tagträumen: Wie es denn sein könnte? Ob ich es denn richtig bemerkt habe? Ob er/sie auch etwas bemerkt hat? Ob er/sie auch Schmetterlinge im Bauch hat? Ob er/sie mich auch attraktiv findet? Usw.

Dann startet in der Regel eine Phase kurzer Ablenkung. Nach dieser Inkubationszeit (siehe Beitrag vom 6.5.09) fehlt nur noch ein winziger Schritt: Ein weiteres Zeichen von B, um die Flammen der Verliebtheit zum Lodern zu bringen.

Das wars im Prinzip. Bei jedem Schritt könnten wir - rein theoretisch - ganz rational darüber nachdenken, auf welcher Stufe im Verliebtheitsprozess wir uns gerade befinden. Und dem Ganzen dadurch ein Stück weit seinen Zauber nehmen. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass sich manche Menschen so schwer verlieben und andere sich jede Woche Hals über Kopf in die (nächst-)beste Person verschießen, die sie jemals getroffen haben.

So nüchtern die niederländischen Forscher den Start kurzer Abenteuer oder auch lebenslanger Beziehungen betrachten - die Realität ist meist komplizierter als das schöne wissenschaftliche Modell. Fest steht: Viel spannender und noch ungleich emotionaler geht es erst dann zu, wenn die Wogen der ersten Verliebtheit geglättet sind und aus der anfänglichen Attraktion eine Beziehung mit Höhen und Tiefen wird. Aber die Modelle für diese komplexen Zusammenhänge stecken noch in den Kinderschuhen.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Frijda, N. (1988). The Laws of Emotion. American Psychologist, 43, pp. 349-358

Donnerstag, 25. Juni 2009

"Ordnung im Chaos" - Unser Verlangen nach Struktur beeinflusst unsere Entscheidungen

Teil 2 - Aberglaube und Verschwörungstheorien
In unserem Beitrag vom 18.6.09 berichteten wir über die Experimente von Jennifer Whitson und Adam Galinsky. Sie zeigten: Kontrollverlust führt dazu, dass sich Menschen verstärkt darum bemühen, wieder Ordnung in ihrer Umwelt zu schaffen. Mit kuriosen Folgen: Sie erkennen dann dort Muster, wo eigentlich der Zufall regiert. Zum Beispiel bei fiktiven Börsenschwankungen.

Welche Blüten kann der Kontrollverlust noch treiben? Whitson und Galinsky untersuchten zunächst, welche Auswirkungen mangelnde Kontrolle auf die Entstehung von Aberglaube hat. Generell entsteht Aberglaube, wenn auffällig oft Dinge gleichzeitig passieren, die eigentlich nichts miteinander zu tun oder eine zunächst unbekannte gemeinsame Ursache haben. Beispiel: Ein Tennisspieler bemerkt, dass er häufiger ein Spiel gewinnt, wenn er seine Trinkflasche an einen bestimmten Platz stellt. Folge: Er wird sich darum bemühen, bei den nächsten Spielen die Flasche genau so hinzustellen. Die wahre Ursache, warum er mit diesem Trick häufiger gewinnt ist natürlich, dass seine subjektive Überzeugung zu gewinnen steigt. Und damit Selbstvertrauen und Siegeswille - wichtige psychologische Faktoren.

Whitson und Galinsky nahmen folgerichtig an, dass Aberglaube aus mangelnder Kontrollüberzeugung entsteht: Können wir selbst die Dinge nur schwer beeinflussen, weil andere Personen mitspielen oder die Konjunktur oder schlicht der Zufall, versuchen wir ganz einfach, irgendeine Ursache für die Phänomene in unserer Umwelt zu finden. Damit wir wenigstens die Chance bekommen, Prognosen abzugeben. Und tatsächlich zeigte sich im Experiment: Diejenigen, denen die Kontrolle über ihre Aufgaben abhanden gekommen war, entwickelten eher abergläubische Vorstellungen.


In einer weiteren interessanten Variation erzählten die Wissenschaftler ihren Versuchspersonen eine Geschichte, in der Mitarbeiter einer fiktiven Hauptperson zweideutige Bemerkungen über deren Karriereentwicklung machten. Wieder glaubten die Versuchspersonen, die unter Kontrollverlust litten eher daran, dass sich die Mitarbeiter gegen die Hauptperson verschworen hatten, um deren Karriere einzubremsen.
Das Gefühl mangelnder Kontrolle zieht also viele negative Erlebens- und Verhaltensweisen in den verschiedensten Bereichen nach sich.

Bis hierhin können die Experimente von Whitson und Galinsky also bestenfalls als Warnung dienen.
Aber die Forscher machten noch einen letzten Schritt. Lesen Sie nächste Woche, wie man die negativen Folgen von mangelndem Kontrollgefühl vermeiden kann.



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer


Mittwoch, 24. Juni 2009

Psychologische Begriffe: 'Big5'

Was meinen Psychologen, wenn sie von den 'Big Five' der Persönlichkeit sprechen?

Wissenschaftliche Psychologen und Praktiker versuchen, das Verhalten von Menschen zu erklären und vorherzusagen. Zum Beispiel wollen Personalverantwortliche wissen, wie gut sich ein bestimmter Bewerber machen wird und wie man ihn so einsetzt, dass er die beste Leistung erbringt. Klinische Psychologen wollen die Ursachen für Verhaltensstörungen erklären, damit sie sie beseitigen können. Forensische Psychologen müssen klären, ob ein Straftäter deviantes Verhalten in Zukunft wiederholt zeigen wird.

Alle diese Entscheidungen werden unter einer gewissen Unsicherheit getroffen, denn menschliches Verhalten ist von sehr vielen Faktoren abhängig, die niemals alle in einer Untersuchungssituation erfasst werden können. Außerdem ändern sich manche der Faktoren, wie die aktuelle Motivation oder der Gesundheitszustand sehr rasch.

Die psychologische Forschung hat sich deshalb sehr früh mit solchen verhaltenswirksamen Faktoren beschäftigt, die über die Zeit relativ stabil bleiben: Den Merkmalen und Ausprägungen unserer Persönlichkeit. Sie sind genetisch festgelegt und/oder (je nach psychologischer Anschauung)) in Kindheit und Jugend gelernt.

Unsere Persönlichkeitseigenschaften sind uns eigentlich nicht bewusst. Wie verschafft man sich dennoch einen Zugang zur Persönlichkeit des Menschen? Meist durch wissenschaftliche psychologische Tests und Fragebögen, in denen die Teilnehmer selbst Angaben zu ihrem Erleben und Verhalten in verschiedenen Situationen machen können und die nach wissenschaftlichen Kriterien objektiv ausgewertet werden.

Ziel der Auswertung ist es dabei, jedem teilnehmenden Menschen ein indiviuelles Persönlichkeitsprofil zuzuweisen - um 'Schubladendenken' zu vermeiden und die Persönlichkeit zum Beispiel auf ein bestimmtes Merkmal zu reduzieren - wie wir es im Alltag oft machen: 'Der ist dumm.' Oder: 'Sie ist ein ordentlicher Mensch.'




Persönlichkeitsfragebögen bestehen oft aus vielen Fragen. In der persönlichkeitspsychologischen Forschung hat sich gezeigt, dass man diese Fragen zur Beschreibung der Persönlichkeit ohne großen Informationsverlust auf wenige Faktoren zusammenfassen kann. Mit Hilfe statistischer Verfahren wie Cluster- oder Faktorenanalysen kann man diese 'Persönlichkeitsdimensionen' extrahieren.

Dabei zeigte sich schließlich bei vielen Fragebögen, dass für eine relativ umfassende Beschreibung der Persönlichkeit fünf globale Faktoren übrig bleiben, nämlich:

  1. Offenheit für neue Erfahrungen und Menschen, Kreativität
  2. Verträglichkeit im Umgang mit anderen
  3. Extraversion: Kommunikation und Interaktion mit anderen
  4. Gewissenhaftigkeit: (Selbst-)Organisation und Verantwortlichkeit
  5. Emotionale Stabilität (Gegenteil: Neurotizismus)
Vorausgesetzt der Fragebogen genügt wissenschaftlichen Kriterien und die Teilnehmer sind ehrlich, kann nun für jeden Teilnehmer die Ausprägung auf jeder dieser Big5 Dimensionen bestimmt werden. Letztendlich nichts anderes als kompliziert berechnete Punktwerte.

Wichtig ist, dass die Persönlichkeit nicht allein durch das Ausfüllen eines Fragebogens bestimmt werden kann - Wie es Autoren mancher nichtwissenschaftlicher Fragebögen behaupten: "Wer bin ich? In 5 Minuten wissen Sie alles über Ihre Persönlichkeit!". Erfahrene Psychologen suchen deshalb immer zusätzlich das Gespräch, ergründen die Biografie ihres Klienten/Patienten oder ziehen Ergebnisse aus Leistungstests hinzu.


gepostet i,.A. von Dr. Stephan Lermer

Dienstag, 23. Juni 2009

'Project Implicit' - Die Tür zum Unbewussten

Forschung zum Anfassen: Seit über 10 Jahren betreiben amerikanische Forscher nun das 'Project Implicit'. Ziel des Forschungsprogramms ist es, einen wissenschaftlichen Zugang zum Unbewussten zu finden - und damit Stereotype zu erheben, Einstellungen zu messen und letztlich unser Verhalten zu erklären, das uns zuweilen immer wieder vor Rätsel stellt.

Denn oft können wir selbst nicht erklären, warum wir wann was getan haben. Wenige unserer Handlungen nehmen wir wirklich bewusst vor und viele unserer Einstellungen und Vorurteile sind implizit. Das heißt: Latent vorhanden, dem Bewusstsein nicht zugänglich, automatisiert. Oft wollen wir uns Gedanken auch nicht eingestehen. Oder wir wollen sie nicht äußern, weil wir negative Konsequenzen befürchten. Wie sieht es mit Ihrer Einstellung gegenüber anderen Religionen aus? Sind alle Menschen gleich? Sollten alle gleich behandelt werden? Ist die Todesstrafe gerecht oder unmenschlich? Was denken Sie wirklich?

Seit einigen Jahren nun existiert ein vielversprechender psychologischer Test, mit dem solche impliziten Einstellungen gemessen werden können: Der IAT (Implicit Association Test). Im Rahmen des Project Implicit wird er online angeboten. Jeder kann diesen Test machen, um (völlig anonym!) seine Einstellungen zu messen.

An der letzten veröffentlichten Studie, die mit Hilfe des Online-IAT durchgeführt wurde, beteiligten sich über 500.000 Menschen in 34 Ländern. Sie trugen damit nicht nur zur wissenschaftlichen Erkenntnis bei, sondern auch zu ihrer eigenen.

In der Studie wurde die Einstellung zu 'Frauen und Mathematik' bzw. 'Frauen und Wissenschaft' untersucht. 70% der Versuchsteilnehmer hatten dem Test zu Folge implizite Vorurteile gegenüber diesen Verbindungen. Brian Nosek, Leiter der Studie fasst zusammen: "Wir fanden die starke Tendenz [...], dass die Teilnehmer sich im Durchschnitt leichter damit tun, die Konzepte Wissenschaft und Mathematik mit Männern zu assoziieren als mit Frauen." Übrigens: In jedem der 34 Länder!

So weit, so gut. Noch interessanter wurde das Ergebnis, als die Forscher die Daten des IAT mit der realen Leistung von Schülern in Mathe und Naturwissenschaften verglichen: In den Ländern, in denen es die größten Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen gab, waren auch die impliziten Vorurteile am größten! Ein klarer Hinweis darauf, dass Vorurteile in der Tat zum Geschlechterunterschied beitragen.

Auf der deutschen Website des Project Implicit können Sie selbst Demo-Tests machen, deren Ergebnisse nur Sie erfahren. Beispiele: Bevorzugen Sie dick oder dünn? Deutschland oder die USA? Männer oder Frauen? Wessis oder Ossis?

Wissenschaftliche Psychologie zum Anfassen. Probieren Sie es selbst aus. Auf Ihre Gefahr. Denn die Testautoren warnen: Die Ergebnisse könnten zu unliebsamen Ergebnissen führen.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Montag, 22. Juni 2009

Wie Sie das Nugget Extramotivation sanft herauskitzeln

Die Gretchenfrage der Arbeits- und Organisationspsychologie lautet: Wie schafft man es, Menschen zu motivieren, so dass sie bereitwillig für gemeinsame Ziele arbeiten und gleichzeitig zufrieden sind? Letztendlich gibt es viele Wege, die nach Rom führen. Einer davon ist allerdings mit Teppichen ausgelegt: Die (engl.) 'Labeling Technique'.

Wirkungsweise und Effektivität der Strategie zeigen sich eindrucksvoll in einem sozialpsychologischen Experiment der Northwestern University of Chicago. Vor einem Wahltag starteten die Forscher eine typische Meinungsumfrage mit einer kleinen Modifikation: Am Ende der Umfrage gaben Sie den Befragten ein Mini-Feedback. Dabei sagten sie der einen Hälfte zufällig (!) ausgewählter Teilnehmer, sie seien 'überdurchschnittliche Bürger, die höchstwahrscheinlich politisch engagiert sind'. Die andere Hälfte bekam das Feedback, sie seien 'durchschnittlich in Bezug auf politisches Interessen und Engagement'.

Exakt eine Woche später, am Wahltag, befragten die Forscher ihre Teilnehmer erneut: Waren sie zur Wahl gegangen? Und: Wie schätzten sie selbst ihr politisches Engagement ein?. Das Ergebnis: Die als 'politisch engagiert' gelabelten Personen sahen sich nun auch selbst als engagierter an. Und waren eher wählen gegangen!

Generell funktioniert diese Strategie sozialer Einflussnahme in zwei Schritten: Zunächst weisen wir einer Person ein Label zu. In etwa: 'Ich glaube, dass du ein guter Mensch bist' oder 'Für diese Aufgabe sind Sie ganz besonders geeignet' oder eben 'Sie sind politisch interessiert'. Weiterhin muss eine Aufgabe vorhanden sein, die mit diesem Label verbunden ist. Beispiele: Eine ehrenamtliche Tätigkeit, ein fachlich anspruchsvolles Projekt, oder eben eine politische Wahl.

Angenommen, ein Mitarbeiter hat Probleme in seinem anspruchsvollen Projekt. Die Probleme wirken sich natürlich negativ auf seine Motivation aus. Er wird mit zunehmender Zeit das Vertrauen in seine Fähigkeiten verlieren und damit auch an Effektivität und Effizienz. Eine gute Möglichkeit, ihn durch Labeling neu zu motivieren: Erinnern Sie ihn an sein Durchhaltevermögen und seine Stressresistenz. Weisen Sie möglichst konkret auf frühere Herausforderungen hin, die er mit Hilfe dieser Fähigkeiten erfolgreich gelöst hat. Labeln Sie ihn auf diese Art und geben Sie ihm so das Gefühl, dass er diese Fähigkeiten in besonderem Maße besitzt. Das Ergebnis: Er fühlt sich besser und zeigt auch entsprechende Leistungen.

Auch Kunden, Klienten und Geschäftspartner können gelabelt werden: Weisen Sie darauf hin, dass Sie ihr Vertrauen/ihre Entscheidung in das Unternehmen ehrt und dass es gerne auch in Zukunft weiterhin rechtfertigen wollen.

Abseits vom Business bietet sich die labeling technique auch in Erziehung und Partnerschaft an.

Wenden Sie diese Strategie an, um erfolgreich zu bleiben. Wir wissen, dass Sie das können ;-)


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Freitag, 19. Juni 2009

Schlaf und Streit - Ein Teufelskreis

SLEEP 2009, die diesjährige Konferenz der Professional Sleep Societies brachte wieder einige aufweckende Erkenntnisse.

Ein Fokus der Konferenz lag auf dem Thema 'Schlaf und Partnerschaft'. In einer derzeit noch laufenden Studienserie von Brant Hasler (University of Arizona) wird die Verbindung von Schlaf- und Beziehungsqualität untersucht. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bei Frauen und Männern Unterschiede gibt.

In seiner Untersuchung sollten Paare über einen Zeitraum von 7 Tagen über Ihre Schlaf- und Beziehungsqualität Buch führen. So kann man identifizieren, ob schlechter Schlaf ursächlich für Konflikte ist oder umgekehrt.

Bei Männern führt besserer Schlaf nun zu einer positiveren Einschätzung der Beziehungsqualität am nächsten Tag.
Frauen hingegen sahen die Sache anders: Streit und Konflikt untertags führten dazu, dass sie schlechter schliefen. Zudem schätzten sie auch den Schlaf des Partners schlechter ein.


Vor Abschluss der Studien darf noch über die Ursachen der unterschiedlichen Einschätzungen diskutiert werden. Männer sind vielleicht viel eher reizbar, wenn sie schlecht geschlafen haben. Frauen nehmen die Probleme des Tages vielleicht eher 'mit ins Bett'. Eines ist jedoch jetzt schon klar: Es existiert ein Teufelskreis aus schlechtem Schlaf und Beziehungsproblemen.

Wie kommt man dem bei? Hasler behauptet, dass es zunächst egal sei, ob man bei der Schlaf- oder bei der Partnerschaftsqualität ansetzt, denn beide bedingen sich gegenseitig. Er empfiehlt aber, beide Faktoren zu berücksichtigen: "Paare sollten ihre Streitereien zumindest teilweise lösen oder ganz beilegen, bevor sie zu Bett gehen.* Und sie sollten Konfrontationen an Tagen vermeiden, an denen einer von beiden zuvor schlecht geschlafen hat."

Ein einfaches Mittel, um Eskalation zu vermeiden, ist deshalb: Zu Erkennen, wenn der Partner 'mit dem falschen Fuß aufgestanden' ist. Oft machen wir das intuitiv richtig und vertagen Diskussionen mit solchen Sätzen wie 'komm, lass uns morgen in Ruhe darüber reden' - unter besseren Voraussetzungen eben.

Wir verfolgen mit großer Spannung die laufenden Studien dazu im Sleep Research Lab der University of Arizona.


*Eigentlich wie Großmutter früher empfohlen hat: "versöhnt euch, bevor ihr schlafen geht"



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Hasler, B. (2009). Sleep Disturbance and Daily Relationship Quality in Couples: Evidence for Bidirectional Associations

Donnerstag, 18. Juni 2009

"Ordnung im Chaos" - Unser Verlangen nach Struktur beeinflusst unsere Entscheidungen

Teil 1 - z.B. bei Wertpapieren


Haben Sie sich jemals gefragt, wie Aberglaube entsteht? Oder wie Verschwörungstheorien entstehen? Oder warum Börsenkurse sich manchmal völlig irrational verhalten?

Wir Menschen versuchen ständig, Ordnung in das Chaos dieser Welt zu bringen. Damit wir sie verstehen können, damit wir unser Verhalten an äußere Bedingungen anpassen können, damit wir Gefahren vorhersagen können. Unser Bedürfnis nach Ordnung geht sogar so weit, dass wir, wenn uns objektive Fakten fehlen, die Sterne um Rat fragen - eigentlich sinnlos, aber es gibt uns ein gutes Gefühl. Ein Gefühl der Kontrolle.

Und wann brauchen wir dieses Gefühl am meisten? Richtig. Wenn wir die Kontrolle verloren haben. Das heißt, wenn wir das Gefühl haben, dass wir fremdgesteuert werden, dass nichts, was wir tun, auch nur irgendetwas ändert und alles eigendynamisch in eine zufällige Richtung steuert. Welche phänomenalen Auswirkungen Kontrollverlust auf unser Ordnungsbedürfnis haben kann wurde jetzt wissenschaftlich untersucht.

Aber machen wir zunächst einen kleinen Test. Was erkennen Sie?



Nichts? Gut so. Die Punkte sind nämlich chaotisch verteilt. Lässt man seiner Fantasie eine Zeit lang freien Lauf, so erkennt man mit der Zeit sicher das ein oder andere Muster. Das ist normal und kann sogar Spaß machen.

Jennifer Whitson und Adam Galinsky von der Universität in Austin (Texas) hatten eine andere Hypothese: Je geringer unser Kontrollgefühl, desto verzweifelter versucht unser Gehirn, Ordnung in die Welt zu bringen. Deshalb sollten Menschen, denen während ihrer Experimente das Gefühl von Kontrollverlust vermittelt worden war*, schneller irgendwelche Dinge, Bilder oder Muster in ihren chaotischen Punktwolken erkennen als in einem entspannten Zustand.
Das zeigte sich auch.

Doch Whitson und Galinsky gingen noch einen Schritt weiter. Und hier wird das Experiment interessant: Sie lieferten ihren Probanden zufällig ausgewählte Statements über Börsenkurse. Diejenigen Versuchsteilnehmer, die über ein geringeres Kontrollgefühl verfügten, sahen in den zufälligen Statements eher Zusammenhänge und Trends als die anderen Versuchsteilnehmer. Sie waren auch eher zu Entscheidungen über Kauf und Verkauf bereit.


Gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise könnten Gefühle von Kontrollverlust eine wichtige Rolle spielen. Jennifer Whitson: 'Das wachsende Gefühl von Kontrollverlust bei Börsenhändlern und Investoren hat das Chaos nur noch verstärkt. Menschen reagieren in solchen Situationen besonders irrational und machen selbst wichtige Entscheidungen etwa von ihrem Horoskop und kleinen Ritualen abhängig.'


Lesen Sie nächste Woche, wie mangelndes Kontrollgefühl die Entstehung von Aberglauben begünstigt und wie wir unsere Entscheidungen verbessern können, indem wir unser Kontrollgefühl wiederherstellen.



*ein geringes Kontrollgefühl kann ausgelöst werden, indem man den Versuchspersonen zuvor unlösbare Logik-Aufgaben gibt oder sie einfach ihre Erfahrungen in unkontrollierbaren Situationen erinnern lässt.





gepostet i. A. von Dr. Stephan Lermer


Quelle: Whitson, J. & Galinsky, A (2008). Lacking control increases illusory pattern perception. Science, 322, pp.115-117

Mittwoch, 17. Juni 2009

Psychologische Begriffe: "Part-List-Cuing"

Meine Einkaufsliste: 'Mehl, Toast, Butter, WC-Reiniger, Frischhaltefolie, Kerzen, Sekt. Was noch? Äh...hm... Irgend etwas wollte ich doch noch aufschreiben!? Also nochmal: Mehl, Toast, Butter, WC-Reiniger, Frischhaltefolie, Kerzen, Sekt. Hm. Naja, fällt mir schon wieder ein.'

Kennen Sie das? Geben Sie es zu.
Die obigen Zeilen sind ein Beispiel für einen Gedächtniseffekt, der bei allen Menschen existiert. Forscher sprechen dabei von "Part-List-Cuing" ('PLC') und meinen damit das Phänomen, dass zuvor gelernte Informationen nicht mehr aus dem Gedächtnis abgerufen werden können, sobald viele ähnliche Informationen vorhanden sind.


Ein Beispiel aus dem Büroalltag: 'Meier anrufen wegen Kommission Wagner, Frau Schulz und Herrn Müller briefen wegen des Meetings um 12, Besprechungstermin mit Tanja um 4, Handwerker kontaktieren wegen der Küche, Tommy heute abend schon um 6 Uhr zum Sport bringen und...' ja, da war noch etwas. Fällt einem bestimmt auf dem Rückweg ein - eventuell erst, wenn es zu spät ist.

Warum fallen uns wichtige Dinge gerade jetzt nicht ein, obwohl uns ganz ähnliche Informationen bereits vorliegen? Warum vergessen wir beim Betrachten unserer Einkaufsliste manche der Dinge, die wir uns noch aufschreiben wollten, obwohl wir doch ganz ähnliche Dinge bereits aufgeschrieben haben und uns diese Dinge doch eigentlich helfen sollten, die anderen zu erinnern?

Fest steht: gerade weil sie dort stehen, wirken sie sich negativ auf unsere Erinnerung aus! Wodurch dieser seltsame Effekt zustande kommt ist bis heute nicht geklärt. Vieles spricht aber dafür, dass beim Abruf vieler ähnlicher Informationen (das heißt: beim Erkennen oder auch beim Erinnern) die eigentlich gesuchten Erinnerungen aktiv gehemmt werden.

Warum um alles in der Welt? Es wäre doch definitiv vorteilhafter, wenn wir immer alles 'parat' hätten und uns ohne nachzudenken erinnern könnten. Allein: Die bewusste menschliche Informationsverarbeitungskapazität ist begrenzt (siehe unseren Blog-Beitrag vom 19.März, incl. Video zum Selbsttest!). Wir können uns nicht auf beliebig viele Dinge gleichzeitig konzentrieren.

Sehen wir also unsere Einkaufsliste oder den Terminkalender durch, so verarbeiten wir in diesem Moment bewusst die Informationen, die wir eben gerade anschauen. Für die eigentlich relevanten Dinge ist damit 'kein Platz'. Auf Grund ihrer Ähnlichkeit 'drängen' sie allerdings gewissermaßen zur bewussten Verarbeitung. Die paradoxe Folge: Sie werden aus dem momentan bewussten Teil des Gedächtnisses gelöscht und ihre Repräsentation im Gedächtnis wird abgeschwächt. Zumindest zeitweise, was auch der Grund dafür ist, dass uns die wichtigen Dinge später wieder einfallen.

Die Lösung des Part-List-Cuing-Problems sind Gedächtnisstrategien, die im Prinzip jeder anwenden kann. Verbinden wir neue Informationen schon beim Einprägen stark mit den bereits vorhandenen Infos - zum Beispiel durch bildhafte Vorstellung - werden diese Informationen in unserem Gedächtnis als Einheit repräsentiert und können vollständig wieder abgerufen werden.

Auch die berühmte LOCI-Methode kann helfen, sich Informationen im Verbund vorzustellen und mit bereits bestehendem Wissen zu integrieren. Eine Kurzanleitung zur LOCI-Technik finden Sie hier (Wikipedia)

Das Wichtigste zum Schluss: Forscher sprechen von 'funktionierendem Part-List-Cuing' und werten das Phänomen als Indikator für ein gesundes Gedächtnis. Der Sinn des PLC ist vermutlich, dass wir uns ohne Ablenkung auf die vorliegenden Informationen konzentrieren können.

Allerdings ist es für uns alle von Vorteil, wenn wir unser gesundes Gedächtnis von Zeit zu Zeit überlisten.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Montag, 15. Juni 2009

Tun oder Nichttun? - Was bereuen wir mehr?

In jeder Entscheidungssituation besteht die Möglichkeit, dass wir uns falsch entscheiden.
Gerade bei Entscheidungen unter Unsicherheit kommt es dabei häufig vor, dass wir uns von unserem 'Bauchgefühl' leiten lassen. Wichtig für unser Bauchgefühl ist vor allem, wie es sich anfühlt, wenn etwas schief gehen würde: 'Antizipiertes Bedauern' einer Entscheidung.


Oft genug entscheiden wir uns deshalb gegen eine Alternative: Weil wir uns die Folgen möglicher Weise so weitreichend und schlimm vorstellen, dass wir uns schlicht 'nicht trauen'.


Ein Beispiel: Wenn ich Anna frage, ob sie mit mir ausgeht, sagt sie vielleicht 'nein'. Sie könnte meine Avancen gemeinsamen Bekannten erzählen. Das wäre mir peinlich. Ich glaube, das würde ich lange bereuen. Ich frage sie besser nicht...

Ein anderes Beispiel: Die Investition in Papiere der HeadStart AG ist mit erheblichen Risiken und Unsicherheit verbunden. Das Geschäftsmodell ist allerdings innovativ und vielversprechend. Wenn ich jetzt kaufe, werde ich aber schlimmsten Falls sogar auf den Skiurlaub verzichten müssen. Was werden meine Frau und meine Kinder dazu sagen? Ich lasse es lieber, die Investition würde ich bereuen...


Antizipiertes Bedauern hat also eine zentrale Bedeutung für unsere Entscheidungen. Aber ist es auch angebracht? Was würde uns letztendlich mehr reuen? Etwas getan zu haben oder etwas unterlassen zu haben?


Fragt man die Menschen einige Zeit nach ihren Entscheidungen, was sie mehr bereuen, bekommt man einen interessanten zeitlichen Zusammenhang:

Kurzfristig
bedauern wir falsche Entscheidungen für Taten mehr als Entscheidungen gegen bestimmte Handlungen. Haben wir etwas falsch gemacht, werden wir eben in der Regel unmittelbar mit den negativen Konsequenzen unserer Handlungen konfrontiert. Und genau das erwarten wir ja auch vorher beim 'Antizipierten Bedauern'.

Allerdings: Wenn Personen
längerfristig auf ihr Leben zurückblicken, dann bereuen sie in der Regel Dinge, die sie nicht getan haben. Das berühmte "Ach, hätte ich doch..." oder "Wenn ich nur damals..." kennt sicher jeder. Mit der Zeit bereuen wir also Entscheidungen gegen Taten mehr.

Warum? Weil die möglichen Konsequenzen von Dingen, die wir nicht getan haben , unendlich sind. Es gibt immer neue Ereignisse im Leben, die anders hätten verlaufen können, wenn wir uns damals für X entschieden hätten. Das Bereuen von Nicht-Handlungen betrifft uns also für längere Zeit. Dafür ist es aber nicht so intensiv, wie das kurzfristige Bereuen von Handlungen, deren Konsequenzen wir erleiden müssen.

Das Leben ist Entscheiden. Wer sich in bestimmten Situationen nicht von objektiven Fakten leiten lassen kann, entscheidet oft aus dem Bauch heraus. Und zu oft dagegen. Weil die unmittelbaren Folgen oft mehr beachtet werden als die langfristigen. Oft genug kann man aber das Experiment wagen: Auch einmal über unmittelbare Risiken hinausblicken. Die Chancen sehen. Visionen entwickeln. Den Wert von Veränderung erfahren.


Und die langfristigen Folgen riskieren, die beim Unterlassen von bestimmten Handlungen auftreten könnten - ihnen denselben Raum lassen, wie den kurzfristigen Folgen unserer Entscheidungen.




gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Mittwoch, 10. Juni 2009

Psychologische Begriffe: "Metakommunikation" - Gespräche optimieren

Metakommunikation bedeutet 'Kommunikation über Kommunikation'. Die Gesprächspartner wechseln dabei in einer Debatte die Perspektive und sehen sich ihre Kommunikationssituation 'von oben' an.

Ein einfaches Beispiel: "Ich ärgere mich darübert, dass du mich die ganze Zeit unterbrichst. Wie sollen wir so vernünftig diskutieren?" Man steigt also aktiv aus der Diskussion aus und zwingt den Gesprächspartner, zusammen kurz über den Gesprächsprozess zu reflektieren. Metakommunikation ist damit eine selbst vorgenommene Analyse der Kommunikationssituation mit dem Ziel, Kommunikationsprobleme zu verdeutlichen, deren Ursachen zu ergründen und sie zu lösen.

Ein anderes Beispiel. Meeting: "Momentan verläuft die Diskussion nur zwischen uns beiden. Möchten die anderen Teilnehmer auch etwas beitragen? Finden Sie das Gespräch zielführend, langweilen Sie sich oder sind Sie ganz anderer Meinung?" Nun sind die anderen Teilnehmer aufgefordert, sich zum Verlauf der Diskussion zu äußern. Ziel ist, alle wieder in die Diskussion einzubinden.

Und nun betreiben wir einmal 'präventive Metakommunkation': Wie sollte man allgemein Kommunikationssituationen strukturieren, damit sie effizient und effektiv verlaufen? Aus der Forschung zur Metakommunikation lassen sich einige einfache Handlungsempfehlungen ableiten, die im Vorfeld jeder Diskussion geklärt werden können:
  • Einander zuhören und ausreden lassen
  • Aktiv zuhören: Nachfragen, Verständnis signalisieren, Paraphrasieren.
  • Sich gegenseitig zu verstehen geben, wie das Gespräch empfunden wird.
  • Thematisch am gerade Gesagten anknüpfen
  • Beschimpfungen und Sarkasmus vermeiden
  • "Ich-Botschaften" statt "Du-Botschaften" senden
  • Den anderen die Chance geben, die eigene Position besser zu verstehen
Angewandte Forschung hat gezeigt, dass sich Gesprächsrunden sehr rasch optimieren lassen, wenn man diese Punkte vorab klärt und sich nach den Gesprächen kurz darüber austauscht, ob sie eingehalten worden sind. Zusätzlich kann man die Effizienz von Gruppendiskussionen um ein Vielfaches steigern, wenn man einen Moderator bestimmt, der während der Diskussion die Einhaltung der Kommunikationsregeln überprüft und bei Verletzungen regulierend eingreift.



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Dienstag, 9. Juni 2009

Das Lächeln einer Frau

...macht Männer attraktiver!

Dieses kuriose Ergebnis veröffentlichte eine schottische Forschergruppe um Prof. Ben Jones. Ihrer Studie war die evolutionsbiologische Vermutung vorausgegangen, dass viele Frauen sich bei der Partnerwahl von den Präferenzen anderer Frauen leiten lassen: Wen viele Frauen toll finden, der ist ein toller Typ!

Dieses sogenannte 'mate choice copying' findet man bei vielen Tierarten, inklusive Primaten. Nebenbei ist das Verhalten natürlich ein Hauptgrund für Eifersucht.


Zur Überprüfung ihrer Annahmen zeigten Jones und seine Kollegen ihren Probanden Bilder von Männern, deren Attraktivität zuvor als gleichwertig eingeschätzt worden war. Das Interessante dabei war die Anordnung: Zwischen zwei Männergesichtern war eine Frau abgebildet, die einen der beiden Männer anlächelte und dem anderen sozusagen die kalte Schulter zeigte.


Das Ergebnis: Die weiblichen Versuchsteilnehmer schätzten die angelächelten Männer als weitaus attraktiver ein! Männer dagegen fanden die angelächelten Gesichter weniger attraktiv. Den erstaunlichen Geschlechterunterschied erklärt Jones so: "Bei Männern bewirkt der Kampf um das andere Geschlecht die Aktivierung von negativen Vorurteilen gegenüber Konkurrenten, die das Ziel positiven sozialen Interesses von Frauen sind." Kurz: Angelächelte Männer werden als Konkurrenz erkannt und sofort abgewertet.


Frauen dagegen verfallen dem Phänomen 'Soziale Attraktivität' - nach dem Motto: "Wer in anderen Frauen Sympathien erweckt, tut das auch bei mir."


Professionelle Partnervermittlungen nutzen das Prinzip bereits, indem sie Männern bei der Partnersuche attraktive Frauen (sogenannte 'Wingwomen') zur Seite stellen, die sich einfach mit ihnen unterhalten und sie anlächeln - Eindruck bei anderen Frauen garantiert!



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Proceedings of the Royal Society B (DOI: 10.1098/rspb.2006.0205)

Montag, 8. Juni 2009

Wenn Verbote und Richtlinien nach hinten losgehen - Die Macht negativen sozialen Einflusses

Eine alarmierende Nachricht auf Ihrem Schreibtisch: Die Präsenz der Mitarbeiter bei Meetings ist in den letzten Wochen zurückgegangen. Im Schnitt fehlten 7% der Mitarbeiter bei wichtigen Meetings - aus nichtigen Gründen! Innerlich kochen Sie.

Sie beschließen, den Mitarbeitern sachlich anzukündigen, dass viele Kollegen in der letzten Zeit ihre Teilnahme an Meetings absagten und dass der Zustand so nicht tragbar sei.
Was passiert nun in der Folge?

Mehr Mitarbeiter werden fernbleiben!


Das Phänomen heißt 'Negative Soziale Bewährtheit' und beschreibt das Verhalten von Menschen, sich in Entscheidungssituationen (zum Meeting gehen oder nicht) an den Ansichten und dem Verhalten anderer Menschen zu orientieren. Würden Sie also publik machen, dass viele Kollegen den Meetings fernbleiben, werden mehr folgen, weil sie sich unbewusst an Ihrer Aussage orientieren: 'Na, wenn so viele wegbleiben, kann ich mir das auch einmal leisten - nur einmal.'


So kontraintuitiv das Phänomen scheint - es ist universell und gut belegt. Beispielsweise entstehen wie von selbst Müllberge in Parks, wenn zufällig jemand Müll an einer Stelle zurück gelassen hat. Schema: 'Aha, da liegt schon etwas - da kann ich meins dazuwerfen.' Und schon türmen sich die Bananenschalen.


In der 'Petrified Forest Studie' zeigte Prof. Robert Cialdini, wie man es richtig machen kann - und wie man es falsch macht: Er brachte an den drei Eingängen des Nationalparks verschiedene Schilder an, die zum Ziel haben sollten, die durch die Touristen verursachte 'Abwanderung' von Hölzern zu verringern.
Auf Schild 1 stand: "Many past visitors have removed the petrified wood from the park, changing the natural state of the forest!" - das Negative-Soziale-Bewährtheit-Schild. Schild 2 zeigte eine Person, die Holz stiehlt mit einem roten Kreis um das Bild und der Aufschrift "Please don´t remove the petrified wood from the park, in order to preserve the natural state of the forest!" - eine ganz einfache Bitte. Am dritten Eingang wurde kein Schild aufgestellt. Um den Holzdiebstahl zu überprüfen, brachten die Untersucher markierte Hölzer an verschiedenen Stücken des Wegs an.

Das Ergebnis: Ohne Hinweisschild wurden 2,92% der Hölzer gestohlen. Mit der Bitte, dies zu unterlassen, sank die Quote immerhin auf 1,67%. Und beim Hinweis darauf, dass die Vielzahl von Holzdieben den natürlichen Zustand des Parks verunstalte? - Satte 7,92% der ausgelegten Hölzer wurden entwendet - die Quote stieg also beinahe um das 3fache an!

Was sollte man also tun? Formulieren Sie Bitten und Verbote klar und positiv. Und weisen Sie auf keinen Fall auf all diejenigen hin, die das unerwünschte Verhalten vorleben - sie werden Nachahmer finden. Und leere Räume.




gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer


Quelle: Cialdini, R. et al. (2006). Managing social norms for persuasive impact. Social Influence, 2006, 1 (1), 3-15

Freitag, 5. Juni 2009

Angenehmer Nebeneffekt

Eine erfolgreiche Verhaltenstherapie gegen psychische Störungen bringt auch das Liebesleben wieder in Schwung. Das berichten Prof. Jürgen Hoyer und seine Kollegen von der Universität Dresden.

Sie befragten 451 Patienten mit Angststörungen oder depressiven Symptomen, die sich entschlossen hatten, in ihrer Institutsambulanz mit Hilfe einer kognitiv-behavioralen Verhaltenstherapie ihre psychischen Leiden zu mildern - und dies auch vollständig oder größtenteils schafften.

Vor der Behandlung berichteten fast zwei Drittel der Patienten von häufigen sexuellen Problemen wie mangelnder Erregbarkeit, erektiler Dysfunktion oder fehlender Orgasmusfähigkeit. Zudem waren sie generell unzufrieden mit ihrem Liebesleben.

Obwohl die berichteten sexuellen Störungen in der Therapie selbst nicht behandelt wurden, zeigte sich nach dem Ende der erfolgreichen Behandlung der Primärerkrankung bei vielen Patienten eine signifikante Verbesserung des Liebeslebens. Mit dem Rückgang von Angst und depressiven Symptomen kam auch die Lebenslust wieder zurück.

Es müssen nicht immer gleich psychische Störungen von Krankheitswert sein, die unsere Sexualität vorübergehend oder dauerhaft beeinträchtigen. Auch die berühmten 'Daily hassles' oder chronische starke Arbeitsbelastung können sich sehr schnell auf das Liebesleben auswirken.

Hier helfen oft schon - richtig angewandt - Entspannungsübungen, ein klärendes Gespräch oder eine kurzzeitige Beratung, um die wahre Wurzel des Übels anzupacken und den Weg zurück zu einem erfüllten Liebesleben zu finden.


gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer


Quelle: Hoyer, J., Uhmann, S., Rambow, J., Jacobi, F. (2009). Reduction of sexual dysfunction: A by-product of CBT for psychological disorders?. Sexual and Relationship Therapy, 24 (1), 64-73

Donnerstag, 4. Juni 2009

Mit der rosaroten Brille

... sieht man besser!

Menschen, die die berühmte rosarote Brille tragen, filtern nicht selektiv - wie das Sprichwort vermuten lässt - die guten Infos aus der Umwelt aus, sondern nehmen in Wahrheit sogar mehr Dinge wahr als andere.

Eine Studie der University of Toronto zeigt, dass unsere Stimmung tatsächlich beeinflusst, wie gut unser visuelles System funktioniert. Prof. Adam Anderson fasst die Ergebnisse zusammen: "Unsere Studie zeigt: Wenn wir in positiver Stimmung sind, nimmt unser visueller Kortex [diejenigen Hirnregionen im hinteren Teil des Schädels, die mit der Verarbeitung des Gesehenen beschäftigt sind, d. Red.], mehr Informationen auf, während negative Stimmung zu einer Art 'Tunnelblick' führt."

Die Forscher versetzten ihre Versuchspersonen in gute, neutrale oder negative Stimmung, bevor sie sie in einem Magnetresonanztomographen untersuchten. Sie fanden, dass die rosarote Brille einer guten Stimmung weniger die Farben der Welt, sondern vielmehr die Bandbreite unserer Wahrnehmung verändert.

Taylor Schmitz, Leiter der Studie, erklärt den Zusammenhang: "In guter Stimmung nimmt die Zahl der wahrgenommenen Objekte zu. Das hört sich zunächst gut an, kann aber auch zu verstärkter Ablenkung führen. Gute Stimmung vergrößert buchstäblich das Fenster, durch das wir die Welt sehen. Das Gute daran ist, dass wir dadurch die Dinge aus einer globalen, integrativen Perspektive aus sehen. Kurz: Wir haben mehr Überblick und entdecken schneller Zusammenhänge. Auf der anderen Seite fokussieren wir Dinge weitaus besser, wenn wir in schlechter Stimmung sind."

Fazit: Organisatorische Aufgaben, Entscheidungen, Meetings und Kreativleistungen gelingen besser in guter Stimmung.

Und falls Sie einmal schlecht gelaunt sein sollten: Suchen Sie sich eine Aufgabe, die Konzentration auf eine einzige Sache, Präzision und Ausdauer verlangt.



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: Taylor W. Schmitz, Eve De Rosa, and Adam K. Anderson (2009). Opposing Influences of Affective State Valence on Visual Cortical Encoding
J. Neurosci., 29: 7199 - 7207 ;

Mittwoch, 3. Juni 2009

Psychologische Begriffe: Fundamentaler Attributionsfehler

Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich das abendliche Fernsehquiz an. Wen halten Sie gewöhnlich für schlauer? Den Quizmaster oder die Kandidaten? Und wie steht es mit Ihnen selbst? Sind Sie schlauer als der Quizmaster oder die Kandidaten oder liegt Ihre Intelligenz irgendwo dazwischen?

Nicht sicher?
Stimmt. Wir wissen es eigentlich nicht. Vor allem nicht in Einzelfällen. Trotzdem scheint der Quizmaster immer alle Antworten zu kennen und kann sich darüber auch eloquent äußern. Sicher ein intelligenter Mann. Und die Kandidatin: bei 500€ versagt. Nicht die Hellste.

Die oben beschriebene Einschätzung ist ein gutes Bespiel für einen oft begangenen Wahrnehmungsfehler, der im Englischen als 'Actor-Observer-Effect' bezeichnet wird. Er beschreibt die Tatsache, dass wir Verhalten anderer Menschen oft auf deren Persönlichkeit zurückführen, während wir unsere eigenen Verhaltensweisen gewöhnlich differenzierter betrachten und auf die Umstände schieben.


Ein weiteres typisches Beispiel für den im deutschen als 'Fundamentaler Attributionsfehler' bekannten Effekt ist Streit in der Partnerschaft: "Immer wirfst du mir Dinge vor, die unter die Gürtellinie gehen! So bist du eben: Kein Niveau!" Man selbst ist natürlich "jedesmal anders" und kann sich gut auf verschiedene Themen und Situationen einstellen. Der andere "ist halt so", demnach persönlich verkorkst und eigentlich nicht mehr zu retten. Der Streit eskaliert.


Für den Fundamentalen Attributionsfehler gibt es vier wesentliche Erklärungen:
  1. Unterschiedliche Informationsgrundlage: Offensichtlich wissen wir mehr über uns selbst als über die anderen Menschen. Wir erleben uns in vielfältigen, unterschiedlichen Situationen und begreifen, dass wir uns je nach Situation auch unterschiedlich verhalten. Unsere Interaktionspartner dagegen lernen wir in immer gleichen oder sehr ähnlichen Situationen kennen - die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie sich auch immer gleich verhalten. Zudem versuchen unsere Interaktionspartner oft auch aktiv, uns ein gewisses (meist positives) stimmiges Bild zu liefern, indem sie sich möglichst gleich verhalten. Sie liefern uns damit selbst einseitige Informationen.
  2. Unterschiede in der Wahrnehmungsperspektive: Insbesondere in Kommunikationssituationen ist die eben Situation für uns sehr wichtig und wird deshalb verstärkt wahrgenommen. Wir selbst treten wahrnehmungsmäßig in den Hintergrund. Beobachten wir dagegen eine Kommunikationssituation von außen, achten wir verstärkt auf das Verhalten der Akteure, die ja zur Situation gehören und die Hauptrolle darin spielen.
  3. Selbstwertdienlichkeit: 'Wenn es andere tun, ist es deren Fehler. Wenn ich es selbst tue, ist die Situation schuld.' Beobachten Sie sich einmal selbst, wenn Sie über negative Dinge berichten: Sie werden versuchen, sich vor sich und anderen selbst zu entschuldigen, indem Sie die Umstände verantwortlich machen. Zurecht. Denn Ihr Selbstwertgefühl würde erheblich leiden, wenn Sie sich für alles Negative allein verantwortlich machen. Wollen wir auf Dauer glücklich und nicht depressiv sein, brauchen wir diese 'selbstwertdienliche Attribution' sogar. Andere für Missgeschicke verantwortlich zu machen ist dagegen in der Regel einfach und berührt meist nicht unser persönliches Selbstwertgefühl.
  4. Kontrollbedürfnis: Menschen haben das Bedürfnis, das Verhalten anderer in unsicheren Situationen voraussagen und kontrollieren zu können. Deshalb ist es von Vorteil, den anderen 'zu kennen'. Man erwartet (oder hofft) also, dass sich Menschen in allen zukünftigen Situationen gleich verhalten. Nämlich so, wie sie sich bisher auch verhalten haben. Wir sagen dann letztendlich: Aha, so sind sie eben. Wenn ich also A sage, sagen sie mit großer Wahrscheinlichkeit B.
Der Fundamentale Attributionsfehler hat also einen großen Vorteil und zwei kleinere Nachteile: Auf der einen Seite lässt er uns das Verhalten anderer Menschen mit ziemlicher Sicherheit und wenig geistigem Aufwand voraussagen.

Auf der anderen Seite kann durch ihn unsere Einschätzung anderer leicht manipuliert werden (vor allem zum Positiven in Kombination mit dem Halo-Effekt, siehe Beitrag vom 27.5.09). Und er stellt uns oft ein Bein bei Menschen, die wir eigentlich gut kennen sollten.


Gerade zur Lösung von Konfliktsituationen mit Freunden, langjährigen Kollegen und Partnern ist es deshalb von Vorteil, sich in sie hineinzuversetzen und zu versuchen, ihre Perspektive wahrzunehmen. Als Mensch, der sich in verschiedenen Situationen eben auch verschieden verhält. Und nicht 'so ist, wie er eben ist.'



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Dienstag, 2. Juni 2009

ACHTUNG, ANSTECKEND!

Sind Ihre Freunde glücklich? Und deren Freunde? Im Großen und Ganzen Ja? Schön für Sie, denn diese Menschen haben einen großen positiven Einfluss auf Ihre Gesundheit.

Es werden nämlich nicht nur Krankheiten, Viren, Bakterien und Parasiten zwischen Menschen übertragen, sondern auch die Fähigkeit, diese abzuwehren. Der entscheidende Faktor ist dabei Glück und gute Laune, die nachweislich das Immunsystem stärken.

Meinungen, Verhaltensweisen, Einstellungen und vor allem Gerüchte verbreiten sich rasend schnell. Sogar Gähnen und Lachen sind bekanntlich ansteckend. All diese Dinge tragen wesentlich zu unserer körperlichen und geistigen Gesundheit bei. Mit den Auswirkungen solcher sozialer Faktoren auf das menschliche Immunsystem beschäftigt sich das stetig wachsende Forschungsfeld der Psychoneuroimmunologie seit den 1980er Jahren.

Diese Forschungstradition wird jetzt durch eine Studie des Instituts für Politikwissenschaft der UC San Diego unterstützt. Die Forscher untersuchten Einfluss und Verbreitung von Glück, Übergewicht und Rauchen in sozialen Netzwerken. Dafür benutzten sie Daten einer bereits Jahrzehnte dauernden Längsschnittstudie in den USA. Sie fanden unter anderem, dass selbst das Glück eines Freundes eines Freundes eines Freundes das eigene Glück um 6% erhöht (siehe Grafik). Ein glücklicher Nachbar steigert unser eigenes Glück um 34%, ein glücklicher Freund, der gleich nebenan wohnt, sogar um 42%.

Glücklichsein und Lebenszufriedenheit verbreiten sich damit sogar effektiver als Rauchen und Übergewicht. Jede erfolgreiche soziale Interaktion, jeder Kontakt mit glücklichen Menschen lässt die Chancen auf eigene Glücksgefühle um 9% steigen. Jeder Kontakt mit unglücklichen Menschen senkt dagegen das Glücksniveau um 7%.


Ein aufrüttelndes Ergebnis, das natürlich noch eine andere Wahrheit enthält: jeder Mensch kann selbst zur Glückquelle werden. Für seine Freunde. Und deren Freunde. Und deren Freunde....



gepostet i.A. von Dr. Stephan Lermer

Quelle: British Medical Journal